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Forum - Schreiben - Schreibtisch

Gedanken in der Geschichte

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Tek Wolf

Autor. Förderer.

20.01.2024 um 12:57 Uhr

Liebe Mitautoren und Gerneleser,

 

meine heutige Frage an euch betrifft einen gern genutzten Kniff beim Schreiben. Der Blick in den Kopf er Protagonisten. Als Erzähler kann man schildern, was vor sich geht, als würde man unsichtbar dem Gesehen beiwohnen. Mehr Möglichkeiten hat man, wenn man auch noch der Gott dieses kleinen Universums ist und Aussagen kann, als hätte man alles geschaffen. "Lina war eine zurückhaltende Person!" oder "Gleich würde es anfangen zu regnen!", zum Beispiel. Aber manchmal geben wir auch den inneren Monolog einer Person wieder und genau darum dreht sich, was ich von euch wissen will. Wie habt ihr (oder schreibt ihr) die Gedanken einer Person am liebsten?

 

Das ist jetzt nicht wahr!, dachte Peter. Ist ein gutes Beispiel. Wenn man anfängt es zu lesen (egal ob mit oder ohne Anführungszeichen), dann geht man von einem Ausruf aus, bis man zum "dachte" kommt und umdenken muss.

 

Das ist jetzt nicht wahr!, dachte Peter. Ist eine andere Variante. Spätestens nach dem ersten Vorkommen dieser Schreibweise weiß man: Kursiv = Innere Stimme. Was meint ihr? Perfekte Lösung oder unelegant?

 

Peter dachte: Das ist jetzt nicht wahr! Ist auch eine Lösung. Hier ist schon vom zweiten Wort an klar, was folgt, hören andere Personen nicht. Aber klingt das nicht hölzern? Was glaubt ihr?

 

Peter riss die Augen auf. Das ist jetzt nicht wahr! Hier ist weniger klar, dass es sich um Gedanken handelt, aber der Lesefluss, meine ich, ist so am störungsfreiesten.

 

Was meint ihr zu dem Thema? Welche Variante gefällt euch dabei am besten? Oder mögt ihr nicht die Gedanken der Figuren wissen? Oder hat jemand noch eine andere Lösung? Ich bin gespannt, was dabei rauskommt Vielen Dank im Voraus für eure Meinungen und Lösungen.

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Leo Me

Autorin.

20.01.2024 um 16:51 Uhr

Lieber Tek Wolf,

mir gefällt eindeutig die letzte Variante am besten.

Ich mag diese "dachte, sagte, fragte, meinte" Formulierungen nicht, auch wenn sie natürlich richtig sind. Für mich klingt es einfach nicht schön und lässt einen Text leicht förmlich klingen. Ich will nicht sagen, dass das nie geht, aber ich versuche damit immer sehr sehr sparsam zu sein.

Durch die Beschreibung, wie Peter reagiert, erzeugst du bei mir Stimmung: Er reißt die Augen auf. Da ist für mich klar, dass irgendwas passiert ist. Er ist entsetzt. Das Gefühl verstärkst du mit dem folgenden, gedachten Ausspruch. Für mich perfekt gelöst.

 

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen.

 

Liebe Grüße

Leo Me

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Devana

Autorin. Korrektorin. Teammitglied.

20.01.2024 um 17:24 Uhr

Also aus Lektorinnensicht gefällt mir keine der drei Möglichkeiten. Die ersten beiden müssten auf jeden Fall mit Anführungsstrichen versehen werden, wenn du mit Inquitformen  (=dachte er) arbeitest. Das würde ich vorgehen, wenn du nur einmalig mit Gedanken arbeitest.

 

Bei der dritten Variante könnte ich vielleicht mit 

Peter riss die Augen auf.

 

Das ist jetzt nicht wahr!

 

leben. Aber auch nur mit Bauchschmerzen.

 

Die Frage, die sich mit aber generell stellt: Wenn du häufiger ins Innere des Protagonisten schauen willst, warum schreibst du dann in der 3. Person und nicht in der Ich-Perspektive?

 

Gruß

Devana

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Rumsch

Autor. Förderer.

20.01.2024 um 21:24 Uhr

geändert am 20.01.2024 um 21:24 Uhr

Hallo Tek Wolf,

 

Die vierte Variante (mit den Gedanken aber in kursiver Schrift zur Kenntlichmachung) gefällt mir persönlich am besten. Wohl auch deshalb, weil Terry Pratchett (von dem ich sehr, sehr viel gelesen habe) diese Variante gerne verwendet und es eine wirklich starke, vertiefende Wirkung entfalten kann, wenn in der 3. Person erzählt wird und dann Gedanken des Protagonisten kommen, die einem zuvor verwehrt waren. Dabei sind die Gedanken auch explizit in der 1. Person formuliert.

 

Auch bei anderen Fantasyautoren habe ich das so schon gelesen. Im richtigen Moment und nicht allzu häufig eingesetzt, lässt es eine Geschichte abwechslungsreicher und lebendiger für mich klingen. Ich denke, es kommt eben darauf an, wie der Text beim Leser an dieser Stelle wirken soll.

 

Viele Grüße

Rumsch

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Schattenwölfin

Autorin. Förderer.

21.01.2024 um 06:56 Uhr

Ich finde auch keine der Lösungen wirklich gelungen. Wenn sie sich nicht zu sehr häuft, kann ich mit der klassischen Inquitformel noch am besten leben.

„Das ist jetzt nicht wahr!“, dachte er.

 

Wählt man hier - in Abgrenzung zur direkten Rede - ein einfaches Gänsefüßchen zu Beginn, könnte man eventuell sogar auf dachte oder ähnliches verzichten, wenn im Kontext eindeutig ist, wer da denn denkt.

Entsprechend könnte man mit der Kursivschrift arbeiten.

Wobei diese dann konsequent den Gedanken vorbehalten sein und nicht noch anderweitig verwendet werden sollte.

Hier würde ich als Lektorin, wenn alles schlüssig bleibt, keine Einwände erheben.

 

Für innere Monologe, die sicher nicht nur aus einem Satz wie im hier gewählten Beispiel bestehen, taugt die Formel weniger.

 

Denkbar ist hier ein einleitender Satz. Ungläubig blickte er zu ihr/auf den Brief in seinen Händen/wohin auch immer.  …

 

Geht es in einer Geschichte viel um Innenansichten, würde ich den Gedanken von Devana bezüglich der Erzählperspektive unbedingt im Auge behalten. Dann ist freilich zu beachten, dass nur die Gedanken des Ich-Erzählers festgehalten werden können, er steckt ja nicht im Kopf der anderen Figuren.

 

Morgengruß

Wölfin

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Schattenwölfin

Autorin. Förderer.

21.01.2024 um 07:16 Uhr

Leo Me

Durch die Beschreibung, wie Peter reagiert, erzeugst du bei mir Stimmung: Er reißt die Augen auf. Da ist für mich klar, dass irgendwas passiert ist. Er ist entsetzt. Das Gefühl verstärkst du mit dem folgenden, gedachten Ausspruch. Für mich perfekt gelöst.

 

 

Ich finde auch, dass hier eine Stimmung erzeugt wird, spontan hatte ich aber eher das Bild eines Schreibens von der Lottogesellschaft im Kopf, die einen hohen Geldgewinn mitteilt.

Also Freunde, nicht Entsetzen.

Daran könnte sich nun ein innerer Monolog anschließen, was der glückliche, wenngleich noch etwas ungläubige Gewinner mit dem überraschenden Geldsegen vorhat.

 

Denkbar ist aber natürlich genauso das Entsetzen. Kommt halt auf den Kontext an.

Ist es eine krasse Umlagenabrechnung, sehen die sich anschließenden Gedanken ganz anders aus, vor allem wenn er er gerade erst eine neue Waschmaschine hat anschaffen müssen und eine aufwendige Autoreparatur ansteht.

 

Vergnügte Grüße 

Wölfin

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Söldner

Autor. Korrektor.

21.01.2024 um 08:43 Uhr

Entscheidend ist meiner Auffassung nach immer der Kontext, in den sich die Innenansicht fügt.

Nicht nur bei Innenansichten, auch im gesamten Text ist mir nicht verständlich, warum so häufig mit Hervorhebungen wie kursiver Schrift, Fettdruck oder Anführungszeichen gearbeitet wird. Nehmt irgendein Buch, das bei einem richtigen Verlag erschienen ist, schlagt es auf. Welche Autoren arbeiten mit so schlechten Werkzeugen?

Derzeit haben wir an einer veröffentlichten Geschichte die Diskussion, wie störend massive Hervorhebungen auf Leser wirken.

Ich bin bei Schattenwölfin.

„Denkbar ist hier ein einleitender Satz. Ungläubig blickte er zu ihr/auf den Brief in seinen Händen/wohin auch immer.“

Ich würde möglichst oft, Tek Wolf, komplett auf Innenansicht verzichten und Denken durch Handlung nicht nur ersetzen, sondern lebendig machen, knapp und direkt.

Vielleicht passen folgende Beispiele.

„Peter starrte auf den Brief.“

„Was Karin schrieb, stimmte nicht.“

„Peter blieb stehen. Einen Moment konnte er sich nicht bewegen.“

„Seine Hand zitterte.“

„Einige Augenblicke lang verstand er nicht, was sie schrieb.“

„Der Brief fiel ihm aus der Hand. Er stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte, bemühte sich, ruhig zu atmen.“

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Tek Wolf

Autor. Förderer.

21.01.2024 um 13:47 Uhr

Liebe Schreibgemeinde, zunächst ein großer Dank für die vielen, schnellen Reaktionen. So eine Gedankensammlung mag ich sehr.

 

Leo Me: Dein Favorisieren der letzten Variante fand ich sehr interessant. Ich mochte sie ebenfalls am liebsten. Sie scheint mir am Eingängigsten und hat zudem den Vorteil auch Emotionen zu transportieren. Allerdings liegt hier auch der Nachteil, den Schattenwölfin gut erkannt und beschrieben hat. Emotionen sind vielfältig und darzustellen, wie sie sich sichtbar ausdrücken, ist nicht leicht. Hier gibt es viel Spielraum für Missverständnisse. Und da liegt wieder mein Problem mit der ersten Variante: „Das ist jetzt nicht wahr!“, dachte Peter. Man liest es als wörtliche Rede und muss am Ende des Satzes wieder umdenken, wenn man erfährt, dass es doch ein Gedanke war. Ein Stolperstein, mit dem ich nicht glücklich bin.

 

Devana: Die Ich-Perspektive ist natürlich die beste Lösung, wenn es viel um Gedanken und Gefühle geht. Allerdings empfinde ich sie auch als Einschränkend, denn so kann ich nicht ohne weiteres in eine andere Gedankenwelt springen. Ich bin im Protagonisten gefangen. Außerdem haben vielleicht die Leser Schwierigkeiten, zum Beispiel als Mann in der Ich-Perspektive einer Frau zu lesen oder ein Dom in der Perspektive einer Sub. Was meint ihr, fällt sowas für euch ins Gewicht?

 

Rumsch: Die kursive Schrift ist natürlich eine recht klare Lösung. Terry Prachett (den ich auch sehr mag), geht damit sehr souverän vor. Ich für meinen Teil denke, er hat diese Methode zusammen mit Klammern und Fußnoten gewählt, um wissenschaftliche Texte zu parodieren.

 

Schattenwölfin: Die Sache mit dem einleitenden Satz ist mir so noch nicht in den Sinn gekommen. Quasi eine Kombination von dritter und erster Variante. Ich werde mal Ausschau halten, vielleicht finde ich ein gutes Beispiel dafür.

 

Söldner: Auch du hast recht, wenn du sagst, dass Kursivschrift eine Krücke ist, die man eigentlich nicht brauchen sollte. Ich kann diesen Purismus der Sprache gut nachvollziehen. Wenn ich mich recht erinnere, hattest du immer gute Beispiele parat. Fällt dir ein Buch oder ein Text ein, in dem aus deiner Sicht das „Denken“-Problem besonders gut gelöst wurde?

 

Tek Wolf strich sich übers Kinn und dachte bei sich: „Das wird mich noch eine Weile beschäftigen!“ Er hoffte jedoch, dass ihn das Grübeln nicht den Schreibfluss stören würde. „Denken oder nicht denken, das frage ich mich“, fuhr es ihm durch den Sinn und er musste lächeln.

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Lanika

Förderer.

21.01.2024 um 16:27 Uhr

Lieber Tek Wolf,

das ist ein spannendes Thema. Zuerst eine innere Handlung bestehend aus Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühlen bereichert eine Geschichte. Wichtig ist, dass die Innensicht nicht zum Handlungsersatz wird. 

 

Ich favorisiere einen Einleitungssatz, in dem auch Emotionen genannt werden können. 

Peter sah schon eine Weile zu, beobachtete und erschrak. Wohin sollte das führen? Hatte er das wirklich richtig gesehen? Er rutschte unruhig hin und her.

 

Schriftänderungen sehe ich auch nur als Krücke. Mir erscheint noch wichtig, dass die Gedanken immer die aeußere Handlung unterstützen oder weiter bringen. 

Lanika

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Schattenzeilen

Autorin. Teammitglied.

21.01.2024 um 16:27 Uhr

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Söldner

Autor. Korrektor.

21.01.2024 um 16:52 Uhr

Tek Wolf

Fällt dir ein Buch oder ein Text ein, in dem aus deiner Sicht das „Denken“-Problem besonders gut gelöst wurde?

Ein Beispiel sind Hermann Löns Erzählungen. Die Denkwelt des Erzählers entsteht aus der beobachteten Welt und überträgt sich beim Lesen auf dich. Du fühlst die Geschichten.

 

Wenn du einen Knaller brauchst, lies Juli Zehs Neujahr. Da denkt niemand. Ausschließlich durch Handlung wirst du gepackt und an Kopf und Körper nicht mehr losgelassen, bis du fertig gelesen hast.

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