Platz 2 im Schreibwettbewerb »Spuren« (»Schreibwettbewerb: Spuren«).
Gabriellas Finger verharrte vor dem Klingelknopf. Das war der Moment, in der ihr der Brustkorb eng wurde, und zwar nicht nur wegen des Korsetts, das sie auf Anweisung unter ihrer Bluse trug. Einem Herrn das erste Mal zu begegnen, war immer mit zwiespältigen Gefühlen behaftet. Natürlich war es aufregend, jemand Neues kennenzulernen. Welchen Stil hatte er, was gab es für Regeln, welche Spielarten gefielen ihm besonders und wie konnte sie ihm dienen und ihn glücklich machen? Aber dann gab es da auch noch die weniger angenehmen Fragen: Achtete er ihre Tabus, kannte er den Unterschied zwischen Härte und Abschätzigkeit und vor allem, würden sie eine Verbindung zueinanderfinden? Das war das Wichtigste, ein Draht, ein gemeinsamer Nenner.
Sie senkte ihren Finger wieder, rieb ihn am Daumen und überlegte. So viele Dumm-Doms hatte sie schon erlebt, solche, die ein echtes, psychisches Problem hatten oder dachten, sie könnten eine devote Frau ausnutzen. Man gewann fast den Eindruck, einen guten Dom zu finden, sei eine unlösbare Aufgabe.
Gabriella wurde das Herz schwer. Wenn es Bruno nicht gegeben hätte, würde sie das sogar glauben. Bruno, so einem wie ihm würde sie nie wieder begegnen. Darum war ihr auch so sehr daran gelegen, nur einen Herrn zu finden, keinen Liebhaber. Nein, die Liebe sollte allein ihrem Bruno gehören, für jetzt und für immer.
Der Finger hob sich wieder und landete mit Nachdruck auf der Klingel. Bei Falk hingegen bestand keine Gefahr. Er hatte in den Chats und am Telefon einen sehr konservativen Eindruck gemacht. Sofort und unverrückbar stellte er klar, dass er eine Sub suchte, zur Erziehung und Nutzung und sonst nichts. Gabriella war das mehr als recht, sie suchte Strenge und Distanz, das reine Abenteuer, keine Gefühle. Er hatte gebildet und reflektiert geklungen, jemand, der wusste, was er wollte. Er würde einen guten Dom und Besitzer abgeben, das spürte sie.
Die Gegensprechanlage knisterte, dann sagte eine tiefe, klare Stimme: »Komm rauf, oberster Stock!«
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